Usbekistan: Bevölkerung & Religion
- Taunustörtchen
- 3. Okt. 2020
- 8 Min. Lesezeit

Usbekistan ist ein Vielvölkerstaat mit etwa 31 Millionen Menschen. Die Bevölkerung wächst kontinuierlich um 2%, was zu einer recht Jungen Bevölkerung führt. So liegt das Medianalter bei 27 Jahren, in Deutschland liegt es bei rund 47 Jahren. Ein Viertel der Bevölkerung sind Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Dies ist ein Grund, dass die Schule im Schichtbetrieb stattfindet. Etwa 80% sind Usbeken, von den 31 Millionen leben etwa 20% außerhalb des Landes, vor allem in den benachbarten Staaten. Es leben etwa 1.5 Millionen Tadschiken in Usbekistan und machen etwa 5% der Gesamtbevölkerung aus. Dabei handelt es sich um alteingesessene Minderheiten, die früher auch Sarten bzw. Perser genannt wurden. Vor allem in der Region leben viele Tadschiken, so das es sogar ganze tadschikische Dörfer und Stadtteile gibt. Eine weitere ethnische Gruppe stellen die Russen dar. Während der Zaren- und der Sowjetzeit waren viele hohe Positionen in Usbekistan mit Russen besetzt worden. Der Russische Anteil an der Bevölkerung von einst 13% ist mittlerweile auf 5-6% zurückgegangen. Ein Grund dafür dürfte die Abschaffung des Russischen als Amtssprache sein, da viele Russen kein Usbekisch sprechen. Nichtsdestotrotz üben auch heute noch viele Russen qualifizierte Tätigkeiten in der Wirtschaft und im Dienstleistungssektor aus. Weitere ethnische Gruppen bilden Kasachen, Turkmenen und Kirgisen aus den benachbarten Staaten, die auch meistens in der Nähe des Grenzgebietes leben, da die einst willkürliche Grenzziehung einige zu einer Minderheit in Usbekistan gemacht haben. Andere Gruppen bilden eine fast vernachlässigbare Anzahl, die auch weiter zurückgehen. Die einst in der Sowjetzeit nach Usbekistan umgesiedelten Deutschen, Koreaner und Krim-Tataren bilden eine immer kleiner werdende Minderheit im Land.
Jeder der Usbekistan besucht, wird früher oder später das Wort Mahalla hören. Offiziell handelt es sich um eine lokale Verwaltungsform. Jedoch steckt sehr viel mehr dahinter, wie gewachsene Nachbarschaftsstrukturen, die sich unsichtbar durch die Bevölkerung ziehen. Diese Nachbarschaftshilfe gab es bereits in vormongolischen Zeit und nach dem Ende der Sowjetzeit wurde die Mahalla ein offizielles Teil des usbekischen Verwaltungssystems. Dazu wurden die Aufgaben einer Mahalla in Gesetze gefasst und dieses Nachbarschaftssystem bildet die Grundlage der usbekischen Kultur. Jeder Usbeke gehört einer Mahalla an, auch die neuen Plattenbauten sind in Mahallas eingeteilt. Die Aufgaben des gewählten Vorstandskommitees und dessen Vorsitzenden sind vielfältig. So werden staatliche Sozialleistungen an Bedürftige verteilt, die Rehabilitation Straffälliger liegt ebenfalls im Aufgabengebiet und man kann Rat bei Familienstreitigkeiten suchen. Dieses Nachbarschaftssystem hat somit weitreichenden Einfluss auf die Struktur der Bevölkerung und sollte nicht unterschätzt werden. Oft ist die politische Meinung innerhalb einer Mahalla wichtiger, als die der Regierung. Taschkent ist von vielen Regionen weit weg.
Die schulische Bildung ist bis zum 12. Schuljahr kostenlos und gliedert sich in vier Jahre Grundschule, fünf Jahre Sekundarstufe und drei Jahre Gymnasium bzw. Berufsschule. Ein Studium kostet jedoch Geld und die Anzahl der Studierenden geht seit der Unabhängigkeit zurück.
Die Rolle der Frau ist durch die Sowjetzeit geprägt, daher sind die usbekischen Frauen selbstbewusst und gleichberechtigt. Außerdem arbeiten die meisten Frauen, was aber nicht bedeutet, dass sie nicht zu 100% für den Haushalt verantwortlich sind.
Etwa 90% der Usbeken sind sunnitische Muslime, daneben gibt es noch Christen, Juden und einige Buddhisten. Jede Art von religiöser Ausübung ist staatlich kontrolliert, so ruft kein Imam zum Gebet, es läuten keine Kirchenglocken und es wird nicht öffentlich gebetet. Religion ist Privatsache und soll auch im privaten Umfeld stattfinden. Offene Missionierung, egal welchen Glaubens, ist strengstens verboten. Zu groß ist die Angst vor radikalen religiösen Strömungen in der Gesellschaft, die Einfluss auf den Frieden im Land nehmen könnten. Fast alle Russen gehören der russisch-orthodoxen Kirche an, die in Usbekistan lebende Koreaner folgen dem presbyterianischen Glauben. Daneben gibt es eine kleine Zahl an Katholiken, Baptisten und Armenisch-Apostolischen Gläubigen. Der Buddhismus spielt kaum noch eine Rolle, auch wenn er einst durch die Routen der Seidenstraße in Usbekistan verbreitet wurde.
"Otkuda?" - Woher kommst Du?
Die Usbeken sind ein sehr freundliches und neugieriges Volk. Als Europäer fällt man auch sehr schnell auf und so kommt es häufig vor, dass man sich plötzlich von zahlreichen älteren Damen umringt wiederfindet. Diese lächeln einen an und fragen woher man kommt - Otkuda? Für viele liegt Europa außerhalb des erreichbaren Horizonts, daher ist die Freude meistens groß, dass man diese Reise auf sich genommen hat, um ihr Land kulturell kennenzulernen. Hat man erstmal geklärt, woher man kommt, so folgen Fragen nach dem Familienstand und der Anzahl der Kinder. Eine freiwillige Kinderlosigkeit scheint undenkbar! Auch der Zustand, dass man ohne Familie unterwegs ist, scheint für einen Usbeken undenkbar. Ohne Familie muss man doch unglücklich sein! Viele Usbeken lassen sich auch sehr gerne mit Touristen fotografieren, sowohl für die eigene Sammlung, als auch für die exotischen Touristen. Die uns teilweise überraschende Kontaktfreude hat meistens keine kriminellen Hintergründe und so sollte man unvoreingenommen die Neugier der Menschen genießen.
Als Frau alleine in Usbekistan
Als allein reisende Frau muss man in Usbekistan nichts befürchten. Auch hier trifft man eher mal auf unverholenes Mitleid, dass man ohne Mann, Kinder und der restlichen Mischpoke unterwegs ist. Auch usbekische Männer begegnen ausländischen Frauen mit Respekt, auch wenn sie es vielleicht nicht gewohnt sind, dass das andere Geschlecht die Zügel selbst in der Hand hält. Man kann sich als Frau frei im Land bewegen und auch abends ist es ohne Probleme möglich, auf den größeren Straßen zu flanieren. Wer den üblichen Fragen nach Familienstand und Kindern aus dem Weg gehen möchte, kann sich eine spontan Familie zulegen. Notlügen sind erlaubt und verletzten hier niemanden!
Gesellschaft
Ein Usbeke ist niemals allein, denn das Leben ist durch verschiedene Gemeinschaften geprägt. Darunter fallen die Familie, die Mahalla oder Religionsgemeinschaften. Man ist zu jeder Zeit ein Teil einer Gemeinschaft, nach deren Verhaltensregeln man lebt und reagiert. Individualität ist nicht erwünscht und wird oft mit Unverständnis quittiert. Wer es negativ ausdrücken möchte, es ist eine Kultur der Fremdüberwachung, bei der das höchste Gut die Wertschätzung der Öffentlichkeit ist. Sobald von der Norm abgewichen wird, ensteht ein Schamgefühl und es ist unvorstellbar, dass einem egal sein könnte, was die anderen von einem denken. So trägt fast kein Usbeke eine Brille oder Sonnenbrille in der Öffentlichkeit. Dies wäre schon eine Abweichung der Norm.
Religiosität
Ja, Usbekistan ist ein muslimisches Land. Daran lassen die Vielzahl an Moschee, Medresen und Minarette auch keinerlei Zweifel aufkommen. Nach offiziellen Angaben geben auch etwa 90% der Bevölkerung an, gläubige Muslime zu sein. Ist man jedoch erstmal im Land angekommen, so stellt man schnell fest, dass nur wenige Frauen ein Kopftuch oder Schleier tragen, dass Alkoholgenuss absolut normal ist und auch Schweinefleisch wird ebenfalls konsumiert. Der Grund für diese Diskrepanz liegt in der Entwicklung des Islam in Zentralasien. Die Islamisierung erfolgte allmählich und es gab keine Zwangskonvertierungen. Vielmehr wurde der Glaubensübertritt durch Privilegien schmackhaft gemacht. So wurden Juden und Christen weiterhin geduldet, sie mussten aber eine besondere Steuer zahlen. In den städtischen Zentren verbreitete sich der islamische Glaube sehr viel schneller, als bei der nomadischen Bevölkerung , die einen deutlich geringeren Bildungsstandard hatten. Viele konnten die religiösen Texte nicht lesen und so konnten sich die Philosophien, Dogmatiken und Rechtslehren nicht verbreiten. Es kam zu einer Art Volksislam, in den auch vorislamische Bräuche und Sitten einflossen. Die Sowjetregierung schränkte jeden islamischen Einfluss sukzessive ein und Moscheen, sowie Medresen wurden geschlossen. Ein weitere Schritt war die Änderung der Schriftform. So änderte man die Schrift vom arabischen zum kyrillischen Alphabet und schnitt somit den Zugang zu islamischen Schriften ab. Im Laufe der Jahre etablierte sich ein sowjetischer Islam, der die geistliche Verwaltung direkt der Moskauer Regierung unterstellte. Die Bevölkerung hielt trotzdem an vielen Bräuchen fest und diente oftmals als Abgrenzung zu der als fremd empfundenen Sowjetkultur. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kann man in allen Zentralasiatischen Ländern eine Zunahme der religiösen Bedeutung wahrnehmen. Trotzdem kam es nie zu dem prophezeiten Szenario, dass sich diese Staaten auf den Weg zu einem fundamentalistisch, islamistischen Gottesstaat aufmachen. Aus Angst vor radikalen religiösen Strömungen geht die Regierung mittlerweile gegen jede islamische Bewegung vor, die sich der staatlichen Kontrolle entzieht. Dies gilt natürlich auch für Christen und andere Religionen. Nicht registrierte Gotteshäuser werden geschlossen, die Benutzung von Lautsprechern für den Ruf zum Gebet ist untersagt.
Die Angst vor dem bösen Blick
Neben dem sogenannten Volksislam gibt es noch viel Platz für Aberglaube, Geister, magische Amulette und Heilige. Die Angst vor dem bösen Blick ist in Usbekistan weit verbreitet und man kann praktisch vor jeder Sehenswürdigkeit Anhänger kaufen, die diesen abwenden sollen. Vor allem Schwangere, Frauen vor der Hochzeit und Kinder gehören zur Risikogruppe. So werden Neugeborene 40 Tage nicht aus dem Haus mitgenommen, um sie vor dem bösen Blick neidischer Frauen zu schützen. Weiteren Schutz geben Chili Schoten oder das tragen eines magischen Auges, die den bösen Blick einfangen und somit von dem Träger abwenden sollen. Wer davon nichts zur Hand hat, kann auch Schafgarbe verbrennen oder Salz streuen.

Auch Gebäude müssen vor dem bösen Blick geschützt werden, so können Pfefferschoten aufgefädelt und an den Häuserwänden oder Türen angebracht werden. Viele Häuser haben außerdem waagrechte Pfähle, die den bösen Blick einfangen sollen. Der Kreativität scheinen hier wenige Grenzen gesetzt zu sein. Hier noch ein paar Volksweisheiten, damit auf der Reise nichts schief laufen kann:
Beim Betreten eines Hauses zieht man grundsätzlich die Schuhe aus
Wer seinen Hof sauber hält und immer kehrt, zu dem kommt ein Engel und bringt Brot und Erfolg. Kein Wunder, dass es in Usbekistan so sauber ist!
Bevor man verreist, setzt man sich kurz hin, damit die Seele hinterher reisen kann
Man sollte vor einer Reise niemals etwas vergessen, sonst kehrt man nicht zurück nach Hause.
Brot darf nicht mit der Oberseite nach unten liegen, auch nicht in einer Einkaufstasche. Das bringt Unglück. Brot sollte auch nicht auf dem Boden liegen, auch nicht in einer Einkaufstasche. Brot scheint ein heikles Thema zu sein...
Geht jemand auf Reisen, so soll der Daheimgebliebene Wasser vor die Tür schütten, so dass der Reisende einen guten Weg ohne Hindernisse hat.
Hochzeit
In Usbekistan heiratet man relativ jung, das heißt etwa mit 20 - 25 Jahren und etwa 65% aller Usbeken über 16 Jahre sind verheiratet. Die Frage, ob man verheiratet ist, wird einem oft auch als Tourist gestellt. Ich habe es mir angewöhnt, wenn ich alleine reise, einen Ring zu tragen, der als Ehering durchgeht. Ich rede auch immer von meinem Mann, wenn ich von meinem Lebensgefährten spreche. Die Erfahrung hat gezeigt, dass man auf diese Weise vielen weiteren Fragen und komischen Blicken entgeht. Nur etwa 10% aller Frauen über 50 Jahre waren nie verheiratet. Früher, und auch noch heute, werden die meisten Ehen durch die Eltern und Familie arrangiert. Jedoch können Frauen heute den vorgeschlagenen Kandidaten ablehnen, es wird jedoch mit jedem Lebensjahr schwieriger einen passenden Partner zu finden und viele wollen sich nicht den Wünschen der eigenen Familie widersetzen.
Am Vorabend der Hochzeit feiern die Paare getrennt von einander mit ihren Familien und Freunden. Die Trauung am nächsten Tag wird sowohl bei einem Standesamt, als auch durch einen religiösen Geistlichen durchgeführt. Die Braut trägt meistens ein weißes, opulentes Brautkleid. Wogegen der Bräutigam in einem dunklen Anzug heiratet. Die obligatorischen Hochzeitsfotos werden oft an berühmten Plätzen gemacht. So kann man häufig Brautpaare während touristischen Besichtigungen sehen. Trotz einiger westlicher Einflüsse, gibt es immer noch den sogenannten Kalim (Brautpreis), den die Familie an die Braut zahlen muss. Früher wurde dieser in Form von Kleidung gezahlt. Heute nimmt man Bargeld, für das die Familien seit der Geburt eines Jungen sparen. Die Währungsreform nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat viele Familien in große Schwierigkeiten gebracht, da ihr hart gespartes Geld plötzlich nichts mehr wert war. Das Geld wird meistens Zuhause und in großen Scheinen aufbewahrt. Michail Gorbatschow hat nach der Wende überraschend die größten und zweitgrößten Geldscheine als ungültig erklärt und viele usbekischen Familien hatten keine Möglichkeit ihr Geld umzutauschen, da die Banken nicht genügend kleine Banknoten vorrätig hatten. Daher haben viele fast ihr vollständigen Rücklagen verloren. Daher nehmen fast alle Läden und Händler sehr gerne Euros und Dollarscheine. Diese Währungen werden dann gerne für Rücklagen verwendet.
Nach der Hochzeit zieht die Braut in die Familie des Bräutigams und ist ab sofort für den Haushalt zuständig und die Mutter des Bräutigams zieht sich aus dieser Verantwortung etwas zurück. Die Braut gehört nach der Hochzeit der Familie des Bräutigams an und oft ist die Bindung zur Schwiegermutter enger als zu eigenen Mutter. Daher werden die Schwiegertöchter sehr genau ausgewählt.
Scheidung
Mittlerweile lassen sich Paare auch scheiden, jedoch ist die Quote sehr gering. Vor allem in den Städten gibt es Scheidungen, auf dem Land sind sie eine große Seltenheit.
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